Aus Ostpreußen in den Roten Stern

Burg | Tiedmannsdorf Ostpreußen. 1935. Cäcilia Katharina Schulze erblickt als achtes Kind einer Bauernfamilie das Licht der Welt. Es ist eine Zeit der Veränderungen, auch in Ostpreußen, und sie soll anhalten bis zum 10. Lebensjahr der heute 90-Jährigen.

Bei einem Geburtstagsbesuch des Bürgermeisters von Burg, Philipp Stark, erzählte das Geburtstagskind seine Lebensgeschichte.

„Wir flüchteten vor dem Krieg über das friesische Haff. Mein Vater, die Pferde, der Wagen und wir Kinder mit unserer Mutter. Viele sind eingebrochen. Wir haben es bis rüber geschafft. Da hat uns der Krieg eingeholt und wir kamen in ein polnisches Auffanglager“, berichtet Cäcilia Katharina Schulze lebendig von ihren Erinnerungen der letzten Kriegstage. Auch daran, dass sie als Familie die rund 200 Kilometer zurück nach Tiedmannsdorf laufen mussten, weil die neue polnische Regierung das so verlangte. Erst 1947 konnte die Großfamilie dann in die russische Besatzungszone Deutschlands ausreisen. Angelangt in Möckern ging es weiter nach Papsdorf, wo der Vater alsbald verstarb. Zurück blieb eine Mutter mit sieben Kindern. Das Grab des Vaters sei, so die heute 90-Jährige, lange Zeit unbekannt gewesen. „Die Wirren der Nachkriegszeit forderten Opfer an Stellen, die heute kaum begreifbar sind“, erklärt sie nachdenklich und erzählt dann weiter von ihrem Lebensweg.

1950 sei sie mit gerade einmal 14 Jahren aus der Schule entlassen worden. Ohne Lohnarbeit konnte sie nicht bleiben, deshalb verschlug es sie für sechs Monate nach Mecklenburg auf einen Bauernhof. Eine glückliche Fügung brachte Cäcilia Katharina Schulze zurück nach Möckern. Genauer nach Lühe, wo sie als fast 15-Jährige als Kindermädchen für zwei Zwillinge eine Anstellung fand. „Es war eine schwere Arbeit, denn ich war für alle verantwortlich. „Die Pflege, die Betreuung, das Waschen, Windeln und Füttern“, erinnert sie sich. Für 18 Monate blieb sie bei der Familie in Diensten, dann erfuhr sie über eine Freundin, dass in der Schuhfabrik „Roter Stern“ Auszubildende gesucht werden. Sie bewarb sich und erlernte den Beruf der Näherin. Dem Betrieb blieb sie bis 1990 treu, dann wurde sie in den Vorruhestand gebeten. „Ich habe den Staat ganz schön geschröpft“, lächelt sie im Gedanken an die 35 Jahre, in denen sie bereits Altersrente bezieht. Irgendwann in der Zeit um 1958 lernte die rüstige Rentnerin ihren späteren Ehemann kennen, den sie 1959 heiratete und dem sie zwei Kinder schenkte. Die Ehe hielt jedoch nur sechs Jahre, dann trennten sich die Wege der beiden. Die Kinder blieben bei Cäcilia, die Zeit ihres Lebens keinen neuen Partner mehr an ihrer Seite hatte und sich als alleinerziehende Mutter täglich mit dem Zug von Möckern über Biederitz nach Burg pendelte. „Ich kam immer erst spät von der Arbeit nach Hause. Im Zug habe ich mir die Zeit mit Handarbeiten vertrieben. „Die Kinder waren in der Krippe und später in der Kita immer gut aufgehoben“, erklärt sie fast entschuldigend. „So waren die Zeiten eben.“ Es waren schwere Zeiten für eine Mutter, die ihre Tochter schon früh verlor. Gerade einmal 18 Jahre ist sie geworden. Der ihr gebliebene Sohn schenkte ihr einen Enkel und dieser einen Urenkel.

Neben dieser kleinen Familie hat sie heute noch fünf Schwestern. Die älteste ist 99 Jahre. „Daran arbeite ich“, lächelt sie und erklärt, wie. „Ich gehe oft spazieren und das Treppensteigen ist zu meinem Sport für die Beine geworden.“

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